Dienstag, 19. September 2017

21.08.2017
Seit genau einer Woche bin ich mit meiner Tochter Leah in Tansania.
Die Zeit vergeht tatsächlich wie im Flug.
Vieles ist mir sehr vertraut – nach nur 9 Monaten bin ich wieder hier!

Seit knapp 3 Stunden ist die Sonne verschwunden und mit der Dunkelheit kommt die Kälte. So liege ich auf meinem Bett, eingemummelt mit Pullover und Jacke unter einer Decke....
Tagsüber ist es angenehm warm: der Sommer in den Bergen in Südtansania, auf einer Höhe von ca. 1700 m.

Für alle, die nicht genau wissen, warum und wieso ich in Tansania bin und hier eher arbeite als Urlaub mache, eine kurze Einführung:
Vor genau 30 Jahren begann ich in Neinstedt (Ostharz) eine Ausbildung zum Diakon. In dieser Zeit lernte ich dort 2 Tansanier, Elikana und Sedekia, kennen. Wir freundeten uns an. Beide gingen nach ihrer Ausbildung (Diakon und Heilerziehungspfleger) wieder zurück nach Tansania, nach Tandala – ganz im Süden des Landes und mitten in den Bergen gelegen. Sie bauten dort ein Dikoniezentrum auf. Im Mittelpunkt standen und stehen einerseits Menschen mit körperlichen und auch geistigen Einschränkungen, Kinder und Jugendliche aus armen Verhältnissen und Waisen.
Diese werden individuell begleitet, gefördert, beraten und in Schul- oder Ausbildungsverhältnisse gebracht. Mittlerweile arbeiten im Diakoniezentrum selbst über 20 Mitarbeiter.
Seit knapp 5 Jahren begleite ich einen jungen Tansanier, Kirimia Ilomo, während seiner Diakon- und vor allem seiner Physiotherapieausbildung, die auch er in Neinstedt und in Quedlinburg erfolgreich absolviert hat. Seit genau einem Jahr ist wieder zurück und baut seitdem im Diakoniezentrum die Physiotherapie auf.
Zusammen haben wir während seiner Zeit in Deutschland konzeptionell den Praxisaufbau und die materielle Ausstattung versucht zu erarbeiten.
Im Oktober 2017 war ich dann für 4 Wochen vor Ort und wir haben so die ersten Schritte gemeinsam unternommen. Dieses habe ich in dem Blog www.torstenintansania.blogspot.com beschrieben.

Nun bin ich wieder hier, um diese Arbeit weiter zu begleiten.
Diesmal sollen folgende Punkte im Vordergrund stehen:
  • Anbahnung von Kontakten und eines Netzwerkes in Tansania
  • Fortbildungs- und Hospitationsmöglichkeiten für Kirimia finden
  • Fertigstellung der physiotherapeutischen Räumlichkeit
  • Besuche in der näheren Umgebung in Familien mit Angehörigen, die eine Behinderung haben
  • offizielle Einweihung der Physiotherapiepraxis

So war ich diesmal ganz anders gespannt auf das, was mich in dieser Zeit erwarten wird.

Tag 1
Sonntag, 13.08.17
In aller Frühe (4 Uhr aufstehen!!) sind wir von Tegel über Zürich nach Daressalam geflogen.

viel zu früh - aber bereit für den Abflug....
In Dar erwartete uns ein sportliches Programm: Wir hatten einen Inlandsflug zum Kilimanjaro-Airport nur 1,5 Stunden nach der geplanten Ankunft gebucht. Zunächst schien alles reibungslos zu verlaufen. Dadurch, dass wir die Visa bereits in Berlin beantragt und erhalten hatten, waren wir die ersten am Gepäckband – leider auch die letzten! Mein Rucksack wollte wohl noch nicht mit dabei sein..... So kamen wir ganz schnell mit den Tansaniern in Kontakt: „Vermisstenmeldung“.

Kirimia erwartete und half uns auch bei der Vermisstenmeldung. Mit einem Gepäckstück weniger, dafür aber mit einer Person mehr, ging es dann weiter in den Norden Tansanias, in die Nähe des Kilimanjaro, nach Usa River. Ein Dorf zwischen Moshi und Arusha gelegen.
Hier befindet sich seit über 25 Jahren ein Rehabilitations Center der Diakonie. Das wollten wir besuchen und in den verschiedenen Bereichen vielleicht hospitieren. Hier gibt es eben auch eine Physiotherapie.
Am Flughafen wurden wir abgeholt und sanken in einem kleinen Apartment des Gästehauses des Reha Centers müde und froh ins Bett.


2.Tag
Montag, 14.08.17
Nach einer wunderbaren Nacht, einer erfrischenden Dusche durften sich v.a. die Augen an die afrikanische Fauna und Flora gewöhnen.







Wir verabredeten uns mit dem deutschen Leiter des Centers zu einem Rundgang.
˃ Seitdem das Reha-Center aufgebaut wurde gab es eine tansanische und deutsche Leitung
(gleichzeitig). ˂
Natürlich nach dem Frühstück! Es gibt im Center ein Cafe kombiniert mit einer kleinen Verkaufsstelle: neben lecker belegten Sandwichs gibt es richtigen Kaffee mit Milch! Die Sandwichs und alle anderen Backwaren sind in der eigenen Bäckerei hergestellt worden.




Diese Bäckerei wurde von einem Bäcker aus Nürnberg aufgebaut und jahrelang von ihm geleitet. Seit knapp einen Jahr ist er wieder in Deutschland und es scheint, dass die Backstube weiter funktioniert: neben der Versorgung des Centers werden auch umliegende Hotels und Safariunternehmen regelmäßig beliefert.

Der erste Eindruck des Centers ist für uns sehr beeindruckend:
  • Mehrere Räume für die Physiotherapie und für die Versorgung / Begleitung / Therapie von Klumpfüßen (Klumpfußcenter) mit jeweils 2-3 MitarbeiterInnen
  • Unterrichtsräume für einen eigene Primary-School
  • Förderunterricht: wir sahen eine Gruppe von ca. 15 Jugendlichen mit unterschiedlichen Formen von Einschränkungen in einem sehr lebendigen Mathe-Unterricht
  • 3 Jugendliche beim Malen (und Erlernen) von Bildern in einer typischen Kunstform
  • eine Schreinerei (mit Ausbildung)
  • eine Metallbau-Werkstatt
  • eine Schneiderei (mit Ausbildung)
  • und die im Entstehen sich befindenden Gebäude einer Secondary-School




Abschließend sahen wir uns noch die Landwirtschaft an: insbesondere die Entwicklung einer Obstbaumplantage und der ersten Hochbeete mit der Begrenzung mittels Bananenstämmen.




Speziell zu den MitarbeiterInnen der Physiotherapie und des Klumpfuß-Centers nahmen wir am Nachmittag den ersten intensiveren Kontakt auf und verabredeten uns für die nächsten Tage.

Zwischendurch konnten wir das Cafe genießen – gut zum langsam Ankommen... Wobei manchmal mehr Weiße / Wazungus hier saßen, als Tansanier.......

Am Nachmittag / Abend wagten wir die ersten Schritte in die Öffentlichkeit: Der Gang zum Telefon-Shop war unerlässlich: wenn wir mit der weiten Welt kommunizieren möchten, brauchen wir eine tansanische Simkarte.
Natürlich braucht auch das alles seine Zeit. Und da es so wunderbar in dem Shop war, besuchten wir ihn am nächsten Tag gleich noch einmal!





Tag 3 – 5
Dienstag, 15.08.17 bis Donnerstag, 17.08.17
Mitten in der Nacht wurden wir von der Gepäck – Vermisstenstelle in Daressalam angerufen:
Mein Rucksack ist nun auch angekommen und wir können diesen ab 13 Uhr am Airport Arusha in Empfang nehmen – großes Durchatmen!!!
So ging es mit einem Jeep und Fahrer des Centers zum Flughafen, quer durch die quirlige Stadt Arusha. Bis ich den Rucksack dann tatsächlich wieder in den Händen hatte, hatten wir dann doch viel Zeit, um die Atmosphäre eines kleinen Flughafens ausgiebig zu genießen.....
So wurde es dann doch fast ein Tagesausflug.


Viele spannende Gespräche und Begegnungen füllten diese Tage:
In der Physiotherapie erhielten wir einen umfassenden Einblick in die gesamte Arbeit:
  • Dokumentation
  • Gruppen- und Einzelangebote
  • Organisation innerhalb des Centers
  • Möglichkeit der Hospitation
  • Besonderheiten / Arbeitsstruktur
Interessant war es vor allem auch, weil eine der beiden Therapeutinnen aus Deutschland kommt und seit 2 Jahren hier arbeitet, also auch Vergleiche zur Arbeit und Arbeitsweise zwischen Tansania und Deutschland zur Sprache kamen.
Ebenso konnten wir das Thema Physio-Ausbildung besprechen. Kirimia hat leider noch immer keine Anerkennung des tansanischen Bildungsministeriums erhalten. Das wird auch nicht so einfach werden, da die Ausbildung in Tansania ganz anders strukturiert ist: Diplom-, Bachelor- und Masterabschluss. Wobei letztere einen sehr theoretischen Schwerpunkt haben.

Im Klumpfuß-Center erhielten wir einen umfassenden theoretischen und praktischen Einblick in der hier angewendeten Ponseti- Methode. Diese ist in erster Linie eine konservative Behandlungsmethode, in der die Füße und Beine in einer festgelegten Reihenfolge in bestimmten Positionen eingegipst werden. Anschließend werden die Füße in Schuhen, die mit einer Schiene verbunden sind, mehr oder weniger fixiert. Diese Versorgung muss zunächst über 23 Stunden getragen werden. Mit der Zeit dann weniger. Die Ponseti- Methode erfordert einerseits einen hohen Grad an Mitarbeit der Eltern bzw. Bezugspersonen und gleichzeitig auch eine Kontinuität und Sensibilität seitens der Therapeuten.
Über eine amerikanische Organisation „Miracle Feet“ (www.miraclefeet.org) wird diese Arbeit auch in Tansania finanziell und strukturell in einem hohen Maß gefördert. So gibt es auch einen bereits vorhandenen Behandlungsschwerpunkt in Mbeya, einer Stadt, die „nur“ ca. 120 km von Tandala entfernt ist.






Eine weitere spannende Begegnung war die mit dem Projekt „Feuerkinder“ bzw. mit dessen Mitbegründerin Frau Schraml. Seit vielen Jahren kommen mehrmals im Jahr Ärzte und Therapeuten aus Deutschland nach Tansania / Usa River, um Patienten mit Verbrennungen, Knochenwachstumsstörungen (O-, X-Beine u.a.) kostenlos zu behandeln: Operativ, einschließlich der zeitnahen Nachbehandlung + Schulung der Therapeuten / Ärzte vor Ort.

Am letzten Tag im Norden Tansanias besuchten wir noch das „Plasterhaus“. Hier finden Kinder und Jugendliche vor / während / nach einer medizinischen Intervention eine zeitlich begrenzte und kostenlose Unterkunft.
Die Atmosphäre in der Einrichtung wirkte sehr entspannend und friedvoll. Die Kinder und Jugendlichen haben für tansanische Verhältnisse einen großen Raum für sich selbst, erhalten pädagogische und therapeutische Begleitung.

Auf dem Weg zum Plasterhaus - mit dem Daladala





......und per Motorrad


der Innenhof


Unterrichtsraum

die Küche - wo beim Kochen auch gleich warmes Wasser gewonnen wird
Auf dem Weg nach Tandala trafen wir in Mbeya einen tansanischen Physiotherapeuten, welcher uns von verschiedenen Seiten „empfohlen“ wurde. Er arbeitet in einem städtischen Krankenhaus und an 2 Tagen in der Woche speziell in / mit der Klumpfußtherapie (nach Ponseti). Dafür wurde er in Usa River ausgebildet. Er hat bereits ein kleines loses Netzwerk von Physios in dieser Gegend geschaffen und ist sehr interessiert an einer Zusammenarbeit mit Kirimia.
Dieser könnte bei ihm hospitieren und sich auch für die Ponseti-Arbeit fortbilden.
Ganz spontan haben wir ihn zu der offiziellen Eröffnung der Physiotherapieräume in Tandala eingeladen....


Diese vielfältigen und intensiven Begegnungen und Gespräche sowie das Erleben des Rehabilitations-Centers werden noch weiter nachschwingen.
Konkret ergaben sich bereits jetzt Kontakte für Kirimia (und für das Diakoniezentrum in Tandala) in verschiedenen Orten v.a. im südlichen Tansania:
a) Patienten mit Verbrennungen:
Operationen, Therapie in Tosamaganga / Ifunda in der Nähe von Iringa („Interplast“)

b) Patienten mit Klumpfußbehandlung
Operationen, Therapie in Usa River, Mbeya, zukünftig Krankenhaus I

c) Patienten mit Knochenwachstumsstörungen u.a.
Operationen, Therapie in Usa River („Feuerkinder“)

d) Unterkunft bei Behandlungen in Usa River: Plasterhaus

Fortbildungen / Hospitationen für Kirimia:

e) Rehabilitations Center Usa River (Klumpfußarbeit, Physiotherapie allgemein)
  • hier müsste die Finanzierung geklärt werden (können) zwischen der Neinstedter
    Stiftung, „Mission eine Welt“ und vielleicht dem Missionswerk Leipzig in Bezug auf Fahrt- und Unterkunftskosten u.a.
f) Krankenhaus Mbeya / Physiotherapeut Emanuel (Klumpfußarbeit, Physio im Krankenhaus)
  • hier fallen bei einer Hospitation Kosten von 5000 TSH pro Tag an
  • über Emanuel gibt es bereits ein loses Netzwerk zu anderen Physiotherapeuten in der Region um Mbeya und Tandala
    ˃ eventuell Intensivierung dieses Netzwerkes
g) bei einer Ausbildung in der Ponseti- Methode: Anfrage an „Miracle Feet“ bezüglich der
    Kostenübernahme
  • zukünftig könnte eine Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus Ikonda / Tandala stattfinden, da hier seit kurzem 2 ausgebildete Orthopädie-Techniker angestellt sind

......fast vergessen: der Mt. Meru - gegenüber des Rehabilitations - Center, der kleine Bruder des Kilimanjaro:








4 Kommentare:

  1. Hamjambo Leah na Torsten!
    Glückwunsch an Sie beide für den erfolgreichen Start und Dankeschön für den interessanten Bericht! Ihnen und mir wünsche ich, daß Sie viele medizinische und physiotherapeutische Vokabeln und Redewendungen mitbringen. Grüße an Sie und unbekannterweise auch an Kirimia, der oft in unseren Sitzungen zu Gast ist.
    Salamu nyingi
    Mimi wako
    Hans-Peter Puffky

    @Kirimia: Kirimia, ninakusalimia na ninakuomba umsaidie Torsten kujifunza Kiswahili.
    Asanta sana!

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  3. Hallo Hans Peter...Nakusalimia pia kutoka Tandala Tanzania. Also Torsten lernt Kiswahili nganz fleißig mit ganz wenig Erfolg ahaha...Nein nein..er kann schon fast drei Setze ohne Probleme.
    Ich bin sehr dankbar, dass diese zwei schöne Nasen hier bei mir sind. Sie haben mir sehr sehr viel geholfen und sie helfen immer noch.
    Karibu sana Tandala Tanzania.
    Gruß
    Kiri

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